Der AVE Kurs und mein Start mit Fin

"Das Leben ist schön - von einfach war nie die Rede!"
Dieses Jahr hatte ich das große Glück, den AVE Kurs (die Angepasste Verhaltensentwicklung für Hundehalter) von und mit Dr. Viviane Theby und mit meinem neuen vierbeinigen Begleiter Finley erleben zu dürfen.
Fin ist ein Labradorwelpe mit einem Herzen aus Gold und einem unendlichen Quell an Energie. Durch seine unerschöpfliche Lebensfreude und seine bedingungslose Liebe, hat er mein Leben bereits in den ersten Wochen der gemeinsamen Zeit total auf den Kopf gestellt.

Er hat es schon jetzt unglaublich bereichert und mir gezeigt, wie schön es sein kann, ihn als neuen Begleiter an meiner Seite zu haben.
Hier ist also der Anfang der Geschichte von uns beiden, von kleinen Heldentaten und einer ganz besonderen Bindung, die zwischen Mensch und Hund entstehen kann.

Gerade zu Beginn war es für mich nicht immer einfach, die vielen Veränderungen, die ein Welpen Einzug mit sich bringt, anzunehmen und mich den neuen Herausforderungen zu stellen.

Aber ich wusste, dass ich in dem Kurs war um zu lernen und zu wachsen. Daher kämpfte ich mich tapfer und dennoch mit einigen Tränen der Verzweiflung durch ersten Wochen mit ihm.
Mein Ziel nach Jonnys Tod war es, dass ich wieder meine innere Mitte finden und in Balance sein wollte.

Das Problem war jedoch, dass weder Finley noch ich im Gleichgewicht waren, denn wir waren beide aus unseren gewohnten Leben gerissen worden und mussten uns erst aneinander gewöhnen und unsere zwei Welten zusammenführen.
Mein kleiner blonder Nachwuchs schien stets angespannt zu sein und nahm wirklich alles um sich herum wahr. Seine Antennen waren immer auf Empfang und dies wollte er auch jedem (mit seinem Maul) mitteilen.

Nicht selten fühlte ich mich von all dieser unbändigen Energie, den Zähnen und seiner Aufmerksamkeit total überfordert.

Im Vergleich zu dem entspannten Leben mit meinem Herrn Professor Jonny, war dieser kleine blonde Knirps eine ganz andere Herausforderung. Schweren Herzens musste ich allerdings erkennen, dass dieser Vergleich keinem gerecht wurde - vor allem nicht Finley.
Also sagte ich mir laut: "Stopp! Fin ist nicht Jonny!"

Das zu akzeptieren, tat unglaublich weh. Dennoch war es ein wichtiger Schritt, weil nur so es war möglich war unsere eigene Beziehung und Dynamik erforschen zu können.

Also richtete ich meine Antennen neu aus und begann dadurch eine unglaublich herausfordernde, aber umso spannendere Lernreise.
Dank dem AVE Kurs wurde mir bald klar, dass die gezeigten Verhalten von Finley nur die Spitze des Eisbergs waren, denn für seine Handlungen und Taten, gab es unzählige Einflüsse.

Einflüsse, wie die Wahrnehmung durch die Sinnesorgane, körperliche Bedürfnisse, äußere Faktoren, uvm. So begann ich, wie Sherlock Holmes, nach jenen Gründen zu suchen, die dahinter steckten und vor allem hörte ich auf, die "unangenehmen" Verhalten persönlich zu nehmen 😉

Anstatt mich darüber aufzuregen, wenn er in meine Hände biss, an mir hochsprang oder lauthals bellte, versuchte ich zu verstehen, warum er tat was er tat. Meist waren es ganz banale Gründe wie Hunger, Verständnisprobleme, dass ich zu viel von ihm verlangte oder der Drang seine Bedürfnisse zu erfüllen.
Als ich das erkannte, breitete sich eine unglaubliche Ruhe in mir aus und zum ersten Mal seit Wochen konnte ich aus vollem Herzen lächeln und in der Nacht wieder durchschlafen.

In diesem Moment wurde mir klar, dass es an der Zeit war, die nächste Stufe auf unserer Lebenstreppe zu erklimmen. Ich musste mir überlegen, wie ich es schaffte, Finleys Alarmbereitschaft und erhöhten Erregungszustand wieder in den grünen Bereich zurückzuführen?
Über die angepasste Verhaltensentwicklung lernte ich, dass der Schlüssel dazu in der Co-Regulierung durch mich lag.
Welch Überraschung 😉

Ich wollte ihm ein gutes Vorbild sein und so musste ich zuerst wieder in meiner Mitte ankommen. Wie wir aber alle wissen, ist das leichter gesagt als getan 😉

Zu Beginn startete ich mit kleinen Übungen, bei denen ich sicher war und Spaß hatte. z.B. spielte ich mit ihm das "180-30-180 Spiel" und half ihm damit zu lernen, wie er sich immer besser selbst regulieren konnte. Letztendlich weiß nicht, wer dabei schneller ruhiger wurde, er oder ich 😉

Jedenfalls fanden wir so Schritt für Schritt unsere Balance wieder und pendelten unseren Energien rauf und runter, hin und her. Jeder Erfolg, den ich mit einer Übung erzielte, machte mich sicherer und auch Finley spürte und zeigte das.
Wir begannen uns anzufreunden und immer besser kennenzulernen. Je aktiver ich wurde und ins agieren kam, desto mehr reagierte er auf mich und meine Wünsche, Signale und Handlungen.

War ich allerdings einmal planlos, so zeigte er mir sofort, dass ich vom Weg abgekommen war. Ich korrigierte mich, sammelte mich und startete wieder neu. Das Ergebnis war, dass er sofort wieder “auf Schiene” war.
Die nächste Etappe auf unserer Reise im AVE Kurs, war die genaue Betrachtung der Entwicklungsstufen. Wir brauchten ja ein solides Fundament, um seine/ um unsere sozialen Fähigkeiten darauf aufzubauen.

Also schuf ich für Finley die richtige Umgebung, damit er seine Umwelt in seinem Tempo wahrnehmen und sich darin selbst regulieren konnte.
Das bedeutete auch, dass ich viele meiner Gewohnheiten hinterfragen und anpassen musste. Als erstes reduzierte ich meine geliebten Spaziergänge auf ein Minimum.

Dabei erkannte ich, dass es nicht nur ausreichte, mit ihm im Garten herumzutollen, sondern dass es oft viel besser war, als täglich einen spektakulärer Ausflug zu machen.
Diese Veränderung in mein Leben zu lassen und sie umzusetzen war unglaublich schwer für mich. Wie alle Reptiliengehirne, mag auch meines keine Veränderungen und versuchte mich mit allen Mitteln zu manipulieren. "Lass das sein, das kostet nur Energie und führt zu nichts! Machen wir es doch so wie immer!"

Schon bald aber merkte ich, dass die Entschleunigung und Veränderung viel wichtiger für uns war und ganz langsam begannen wir uns gegenseitig wahrzunehmen. Wir traten zum ersten Mal wirklich miteinander in Beziehung. Er hörte mir zu und ich ihm.
Als ich das verstand, entwickelte sich alles rasant weiter. Finley schenkte mir von Sekunde zu Sekunde mehr Vertrauen. Unsere Spaziergänge wurden länger und ich wagte es sogar, ihn auch einmal ohne Leine laufen zu lassen.

Alte Ängste loszulassen, ist unsagbar schwer und dennoch wusste ich, dass es für uns beide unbedingt notwendig war.
Was aber dann geschah, glich einem Wunder, denn unsere Bindung zueinander wuchs stetig an.

Ich wurde immer mutiger, lockerer und konnte ihm immer mehr Freiheiten schenken.

Wir bewegten uns raus aus dem Teufelskreis hinein in eine Engelsspirale 😉
Ich ließ Finley viel mit anderen Menschen und Tieren (Hunden, Pferden, Katzen, Hasen, ...) kommunizieren.

Er tat dies manchmal auf eine zurückhaltende, meist aber auf eine spielerische, freche und dennoch charmante und unsagbar lustige Art und Weise.

Ich war absolut begeistert von dem Fortschritt, den er - den wir gemacht hatten.
Natürlich kam und kommt es immer wieder vor, dass ich etwas übersehe, ihn überfordere und er mir mit seinem Verhalten zeigt, dass die gestellte Situation, das Training, der Spaziergang, ... zu viel für ihn war. In solchen Momenten greife ich auf meinen “Erste-Hilfe-Koffer” zurück:

Ich berühre ihn dann sanft mit meiner flachen Hand am Herzbereich und beginne mit ihm zu atmen und schon nach kurzer Zeit findet er wieder Ruhe und kommt zurück ins Hier und Jetzt.
Besonders abends merke ich, wenn er Schwierigkeiten hat sich und sein kleines System herunterzufahren - sei es aufgrund von juckenden Milchzähnen oder den Erlebnissen eines aufregenden Tages.

Ich bin "einfach" für ihn da, unterstützte ihn, atmete für und mit ihm und nach einiger Zeit kann er dann, meist nach einem tiefen Seufzer ruhig einschlafen.
Was habe ich also in dem Kurs und in den letzten Monaten gelernt?
Es ist nicht schlimm Fehler zu machen, denn sie sind Helfer und Chancen um zu wachsen, sich zu entwickeln und sich neu zu orientieren.

Das Leben ist so viel leichter, wenn man seinen alten Ballast abwirft, etwas Mut zeigt und dafür mit Vertrauen und Liebe belohnt wird - gibt es denn etwas Schöneres?

Genau so wie ich bin, bin ich perfekt! Ich darf mir selbst vertrauen, denn ich besitze das Wissen, das Können, das Gefühl und die Liebe, um jede noch so schwierige Situation zu meistern.

Jedes Lebewesen und jeder Mensch an deiner Seite, kann deine Stärken und Schwächen zum Vorschein bringen, aber nur du selbst kannst daraus etwas Großartiges machen.
Und zu guter Letzt ... habe ich erkannt, dass Finley niemals meinen geliebten Jonny ersetzen wird, er aber bereits jetzt schon eine bessere Version von mir hervorgebracht hat und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Er trägt täglich dazu bei, mein Leben auf eine unglaublich spannende Art zu bereichern und ich freue mich auf meine gemeinsame Reise mit dem kleinen blonden Prinzen, wo auch immer unsere (manchmal auch stürmischen) Winde uns hintragen werden.

Liebe Grüße eure Sigrid
"Jeder Moment im Leben bietet Chancen zur persönlichen Entwicklung und zum Wachstum unserer Beziehungen zu anderen Menschen oder Tieren."

2 Kommentare zu „Der AVE Kurs und mein Start mit Fin“

  1. So schön geschrieben liebe Sigi; das passt super mit euch beiden, da liegt ein langer wunderschöner gemeinsamer weg vor euch und wir bleiben auch an eure Seite, Gitta und Kahu :*

  2. Dr. Christiana Walter

    Liebe Sigrid!
    Ganz lieben Dank, dass Du Deine Erlebnisse mit Finley teilst und deine schönen AVE – Erlebnisse mit ihm! Es tat mir persönlich sehr gut, Deine Geschichte zu lesen. Zu der Zeit als ich meinen Welpen Clooney mit nach Hause nahm, war ich im Grunde durch den Tot unseres besten Freundes und meinem langjährigem Trainingspartner Alwin – 18 Jahre trainierten wir miteinander in unterschiedlichen Hunde-Sportarten – emotional nicht in der Lage, wirklich auf einen Welpen einzugehen. Ich wurde ihm quasi nicht gerecht, fühlte mich manchmal von diesem zaubervollem Wesen genervt, war nicht fähig ihm die Welt zu zeigen. Verglich ihn ständig mit meinen alten Hunden! So langsam sind wir auf dem Weg!
    Liebe Grüße an Finley und Dich

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